Synthesizer, Resonanz, Modulation: Auf dem Weg zur musikalischen Schicht des Theaters
von Rasmus Nordholt-Frieling
Zusammenfassung.
Der Beitrag geht der Frage der Musikalität theatraler Gefüge nach. Musikalität soll als eine spezifische, sich historisch verändernde relationale Bezogenheit begriffen werden, die der Denk- und Beschreibbar-Machung auch nicht vornehmlich klanglicher Praktiken dienen kann.
Das Klangliche präsentiert keine manifesten Objekte, sondern räumliche Prozesse, in denen sich verschiedene Klangausstrahlungen modulieren, gegenseitig einfalten oder ausdehnen. Mit diesem eigenartigen Material und seiner Konstellierung haben sich Musizierende über die Jahrtausende auseinandergesetzt und so ein technisches und begriffliches Wissen entwickelt. Immer wieder wird dieses angezapft, auch um nicht-klangliche Fragen zu behandeln: Bei den Pythagoreern, bei Gottfried Wilhelm Leibniz, Paul Klee, Gilbert Simondon oder Gilles Deleuze und Félix Guattari.
Entlang dieser und anderer Schauplätze soll das Musikalische als Gefüge der Teilhabe und wechselseitigen Variation von heterogenen Agenturen, Ausdrucksformen und Bedeutungsschichten beschrieben werden. Vielfach begegnen uns theatrale Formen, in denen das Zusammenspiel körperlicher, technischer, sprachlicher, medialer und anderer Dimensionen an keiner finalen Perspektive ausgerichtet ist, sondern sich in der modulierenden Überlagerung figuriert (z.B. Arnold Schönberg, John Cage oder Heiner Goebbels). Diese können als Formen theatraler Musikalität beschrieben werden, die von der Präsenz oder Dominanz der Musik im engen Sinne zunächst unabhängig sind.
The article explores the question of the musicality of theatrical structures. Musicality is to be understood as a specific, historically changing relationality that can serve to think and describe practices that are not primarily sonic.
The sonic presents no manifest objects, but spatial processes in which various sound emanations modulate, mutually ‘fold in’ or expand. Musicians have dealt with this peculiar material and its constellation over the centuries, developing a technical and conceptual knowledge. Tapped time and time again, this knowledge was repeatedly used to deal with non-sonic questions also: In the Pythagoreans, in Gottfried Wilhelm Leibniz, Paul Klee, Gilbert Simondon, or Gilles Deleuze and Félix Guattari.
Along these and other settings, the ‘musical’ will be described as a structure of participation and mutual variation of heterogeneous agencies, forms of expression, and layers of meaning. In many cases we encounter theatrical forms in which the interplay of physical, technical, linguistic, medial and other dimensions is not oriented towards any final perspective, but rather figures itself in modulating superimposition (e.g. Arnold Schönberg, John Cage or Heiner Goebbels). These can be described as forms of theatrical musicality that are initially independent of the presence or dominance of music in the narrow sense.