Making Sense of Performance. A New Approach to Performance Analysis
von David Roesner
Zusammenfassung.
Attending the theatre – be it to see drama, music-theatre, dance or any other mode of performance – we enter into a complex and ‘messy’ process of making sense of what we see, hear, feel and think. This process is very personal, but not arbitrary, and it is influenced and guided by a lot of factors, many of which are neither intended nor controlled by the theatre makers themselves. In borrowing a well-established tool from organisational studies, the “sensemaking perspective” – most prominently introduced by Karl E. Weick – this paper seeks to provide a framework to guide our reflection on how we make sense of performances, what social, cognitive and perceptive factors and biases influence our understanding and how we indeed ‘enact’ a personal version of the performance, rather than being able to observe it as a reified event. The article does this by at first distinguishing “sensemaking” from “interpretation” and by introducing sensemaking as a process that is characterized by seven characteristics: according to Weick, 1) sensemaking is grounded in identity construction; 2) it is retrospective; 3) enactive of sensible environments; 4) social; 5) ongoing; 6) focused on and by extracted cues; and 7) driven by plausibility rather than accuracy. The article discusses how these characteristics can be applied to analyses of attending theatre performance, using the experimental, site-specific music-theatre production Maya (Mathis Nitschke, 2017) as a case study to substantiate and test the arguments.
Sensemaking, therefore, is not offered as a new method of performance analysis per se but suggested as an overall way of looking at, thinking about, and accounting for how we attend the theatre. It is a frame of mind which provides a kind of overarching structure that addresses the theatre performance in its wider context and negotiates the individual and collective agency of the audience.
Wenn wir ins Theater gehen – sei es, um Drama, Musiktheater, Tanz oder irgendeine andere Form der Aufführung zu sehen – treten wir in einen komplexen und "unordentlichen" Prozess ein, in dem wir dem, was wir sehen, hören, fühlen und denken, einen Sinn geben. Dieser Prozess ist sehr persönlich, aber nicht willkürlich, und er wird von vielen Faktoren beeinflusst und gelenkt, von denen viele von den Theatermachern selbst weder beabsichtigt noch kontrolliert werden. In Anlehnung an ein bewährtes Instrument aus der Organisationsforschung, der "Sensemaking-Perspektive" - die vor allem von Karl E. Weick eingeführt wurde – versucht dieser Beitrag, einen Rahmen zu schaffen, der unsere Reflexion darüber leitet, wie wir Aufführungen verstehen, welche sozialen, kognitiven und wahrnehmenden Faktoren und Vorurteile unser Verständnis beeinflussen und wie wir tatsächlich eine persönliche Version der Aufführung "inszenieren", anstatt sie als verdinglichtes Ereignis zu beobachten. Der Beitrag tut dies, indem er zunächst "Sensemaking" von "Interpretation" unterscheidet und Sensemaking als einen Prozess einführt, der durch sieben Merkmale charakterisiert ist: Nach Weick ist 1) Sensemaking in der Identitätskonstruktion begründet; 2) es ist retrospektiv; 3) "enactive of sensible environments"; 4) sozial; 5) fortlaufend; 6) auf und durch extrahierte Hinweise fokussiert; und 7) eher durch Plausibilität als durch Genauigkeit angetrieben. Der Beitrag diskutiert, wie diese Charakteristika auf Analysen des Besuchs von Theateraufführungen angewendet werden können, wobei die experimentelle, ortsspezifische Musiktheaterproduktion Maya (Mathis Nitschke, 2017) als Fallstudie zur Untermauerung und Prüfung der Argumente dient.
Sensemaking wird daher nicht als eine neue Methode der Aufführungsanalyse per se angeboten, sondern als eine allgemeine Art und Weise vorgeschlagen, wie wir das Theater betrachten, darüber nachdenken und es beschreiben. Es ist eine Denkweise, die eine Art übergreifende Struktur bietet, die die Theateraufführung in ihrem weiteren Kontext betrachtet und die individuelle und kollektive Handlungsfähigkeit des Publikums verhandelt.